Der Jäger der echten Klänge

12. 04. 2019

Für die meisten Liebhaber von Modelleisenbahnen ist es am Wichtigsten, dass ihre Miniaturwelten genau so ausschauen wie die Vorbilder im Original. Im Bestreben, einen möglichst perfekten Mikrokosmos zu schaffen werden akribisch Züge, Gleise, Waggons, Miniaturgebäude bis hin zu ganzen Landschaften täuschend echt nachgebildet und weder Kosten noch Mühen gescheut.

Für Alfred Nusser ist das aber noch nicht genug. Für ihn zählt nicht nur das Aussehen, sondern auch der richtige Sound. Seit etwa 10 Jahren versucht er, die echten Geräusche von Lokomotiven auf Miniaturzüge zu übertragen und so die Modellbauwelten zum Klingen zu bringen.

Anderer Maßstab

Alfred Nusser ist seit den Neunzigerjahren Triebfahrzeugführer bei den ÖBB, zuerst auf der Südbahn und aktuell auf der Strecke zwischen Bruck an der Leitha und Wien. Über die Jahre lernte er zahlreiche unterschiedliche Loks kennen und dabei auch wie sie klingen. Die Geräusche der Turbogetriebe oder die Klänge der Drehzahlstufen der Triebmotoren wurden zu vertrauten Melodien mit einem unverwechselbaren Charakter.

„Ich kenne eigentlich fast jede österreichische Lokomotive am Klang, auch wenn ich sie nicht sehe,“ ist er sich sicher und erinnert sich dabei an sein erstes prägendes Zugerlebnis. Das war nämlich der schrille Pfiff einer Dampflokpfeife, die er als kleiner Bub auf der Strecke Mürzzuschlag-Neuberg betätigen durfte. Da wusste er, dass er Lokführer werden wollte.

Als er mit einem Freund vor 10 Jahren eine Modellbauaustellung besuchte, wo eine sogenannte Soundlok vorgestellt wurde - eine Minilokomotive mit einem eingebauten Sounddecoder - traute er seinen Ohren nicht. Was hier aus den Minilautsprechern des Zuges zu hören war und angeblich echte Zuggeräusche sein sollten, hatte so gar nichts mit dem zu tun, was er aus dem Zugbetrieb kannte. Rasch kam er zum Schluss, es besser machen zu wollen. Schließlich war er ja vom Fach.

Aller Anfang ist schwer

Alfred Nusser besorgte sich also einen Sounddecoder und begann zuerst mit einer Videokamera und dann mit Mikrofon und Aufnahmegerät den ihm vertrauten echten Sound von Lokomotiven aufzunehmen. Der Weg war allerdings steinig, die ersten Versuche von Rückschlägen geprägt.

Nicht alles was man hört, kann man auf einem Sounddecoder reproduzieren. Nicht jeder Klang lässt sich einfangen. Dazu kamen auch noch technische Hürden, wie übersteuerte Aufnahmen oder auch extralaute Singvögel, die flüsterleise Elektroloks übertönen können. Und so musste Alfred Nusser einiges an Lehrgeld zahlen, bis er seinen eigenen hohen Ansprüchen genügen konnte. Die Devise war D.I.Y, sogar die Mikrofonhalterung hat sich der Soundpionier selbst gebaut.

Bis heute gibt es nur etwa 20 Personen weltweit, die so wie er als Sound-Autor Klänge von Zügen einfangen und auf die Modellbahn übertragen. Aus dem Anfänger ist längst ein Profi des guten Tons geworden. Zahlreiche Züge hat er schon akustisch festgehalten und für die Miniaturbahnwelt adaptiert.

Leidenschaft ohne Grenzen

Um die Klänge einer seltenen Lokomotive einzufangen ist ihm kein Weg zu weit. Für eine rare Diesellok, ist er schon mal an die polnische Grenze gefahren. Seine Kunden wissen die Mühe zu schätzen, seine Sounds begeistern internationale Fans. So zum Beispiel ein schwedischer Zahnarzt, der in seiner Freizeit eine österreichische Modellbahn fährt – die ohne die Nusser-Klänge nur das halbe Vergnügen wäre.

Nur vor einem macht auch der Jäger der echten Klänge halt. „Dampflokomotiven mache ich keine“ meint er. „Da kenne ich mich nicht so gut aus. Und ich finde, daß sich deren Klänge nicht auf Minilautsprechern nachbilden lassen. Das klingt einfach nicht gut.“

Ob er sich privat auch mit Zugklängen entspannt und welchen Tipp er für eine lange Zugfahrt hat verrät er uns hier. „5 Fragen – 5 Antworten. Mit Alfred Nusser .“

Übrigens: Ihr kennt jemanden, der eine tolle “Gleisgeschichte” zu erzählen hat? Dann meldet euch per Mail an social-media@oebb.at