Seilbahn in der Luft

Bernhard und die Bahn am Seil

02. 04. 2023

Die Geschichte der einzigartigen ÖBB Seilbahn im Pinzgau:

Wer an “Bahn” und “ÖBB” denkt, hat für gewöhnlich unsere Eisenbahnen im Sinn. Eine Bahnrarität ist im Salzburger Stubachtal versteckt – die einzige Personen-Seilbahn der österreichischen Bundesbahnen!

Im schicken ÖBB-Rot schwebt sie über grüne Wälder und weiße Schneefelder, durch das majestätische Alpenpanorama der hohen Tauern. Aus der Ferne betrachtet wirkt sie beinahe wie ein Spielzeug. Wer jetzt Lust bekommt, einmal mitzufahren, kommt leider fast 40 Jahre zu spät.

„Die öffentlichen Fahrten hinauf zum Weißsee wurden bereits in den Achtziger Jahren eingestellt,“ erzählt Betriebsleiter Bernhard Buchholz. Er kennt die Seilbahn schon aus Kindestagen. „Mein Vater hat hier bei der Kraftwerksgruppe gearbeitet und da bin ich natürlich als Sohnemann auch ab und zu da gewesen. Das bleibt einem in Erinnerung. Und jetzt bin ich hier der Betriebsleiter der Seilbahn“

Dass die Seilbahn immer noch in Betrieb ist, hat einen simplen Grund. Sie bringt Kolleg:innen zu den Kraftwerksanlagen der ÖBB hoch oben am Tauernmoossee und am Weißsee. Übrigens: Mehr als jeder fünfte Zug in Österreich fährt mit Wasserkraft, die hier erzeugt wird.

Blick aus der Seilbahn

© ÖBB / Posch

Bernhard und die Seilbahn

© ÖBB / Posch

Wo der Bahnstrom herkommt

Der Grundstein für die Bahnstromerzeugung im Stubachtal wurde bereits 1926 gelegt. Schrittweise wurde die Kraftwerksgruppe in den folgenden Jahrzehnten erweitert. Im Zuge dessen gab es bereits eine einfache Seilbahn für den Personen- und Materialtransport.

1948 wurde mit dem Bau der heutigen, größeren Seilbahnanlage begonnen, schon mit dem Plan, die Seilbahn mit Ende des Kraftwerksbaus für den Tourismus zu nutzen. 1951 ging sie in Betrieb.

Drei Jahrzehnte waren die Österreichischen Bundesbahnen Betreiber einer öffentlichen Seilbahn, ein Unikat in der ÖBB Geschichte. Als die Gemeinde Uttendorf 1982 parallel dazu ein weiteres touristisches Seilbahnprojekt zum Weißsee realisierte, war es mit dem öffentlichen Verkehr vorbei. Die Seilbahn blieb aber als nicht öffentliche Werksbahn erhalten, um zu den Oberwasseranlagen der Kraftwerksgruppe zu gelangen. Zumindest bis heute.

© ÖBB / Posch

Die höchstgelegene Baustelle der ÖBB

Derzeit erweitern die ÖBB die Kraftwerksgruppe um ein neues Pumpspeicherkraftwerk. Die beide bestehenden Speicherseen werden unterirdisch miteinander verbunden. Der höher gelegenen Weißsee wird damit zur „grünen Batterie“: Bei geringer Stromnachfrage pumpen die Turbinen Wasser in den Weißsee. In Zeiten hoher Stromnachfrage wird das Wasser wieder abgelassen und die Turbinen produzieren erneut Energie. Je nach Bedarf steht damit grüner Strom aus Wasserkraft für den umweltfreundlichen Zugbetrieb zur Verfügung. 

Für den Bau des neuen Kraftwerks wurde ein Zufahrtstunnel errichtet. Dieser verbindet die bereits bestehenden Anlagen und das neue Kraftwerk mit dem Enzingerboden. Im rund neun Kilometer langen Tunnel können auch LKWs und Sondertransporte wetterunabhängig fahren. Damit ist die Seilbahn für den Kraftwerksbetrieb nicht mehr nötig.

Seilbahn in der Reparatur

© ÖBB / Posch

Hinter den Kulissen der Seilbahn

© ÖBB / Posch

Baustelle 1927

Die letzte Fahrt

Bernhard sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: “Ich bin der letzte Seilbahnbetriebsleiter hier. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es das Beste, was passieren konnte. Wir haben hier oft starken Wind. Die Seilbahn darf aber nur bis 60km/h Windstärke betrieben werden. Und der Wind kommt auch plötzlich. Ich kann mich an Situationen erinnern, da habe ich Kolleg:innen am Vormittag raufgebracht und mittags war dann schon der Wind zu stark.”

Was man dann macht? “Ich habe auch schon öfters eine Nacht oben in der Mittelstation verbracht, weil wir wegen dem Wind nicht mehr runtergekommen sind. Das kann mit dem Tunnel nicht mehr passieren. Aber man ist halt auch mit viel Herzblut dabei. Gerade weil die Seilbahn schon ein gewisses Alter hat, ist sie vielen von uns ans Herz gewachsen. Sie hat schon viel mitgemacht, hat uns immer alle sicher ans Ziel gebracht und wird jetzt in den wohlverdienten Ruhestand geschickt.“

Seilbahn aus der Ferne

© ÖBB / Posch

Im Sommer ist die letzte Fahrt geplant. Diese Fahrt wird Bernhard natürlich persönlich vornehmen. Dann wird die ÖBB Seilbahn im Stubachtal endgültig in die Geschichtsbücher eingehen.