Gleisgeschichten: Michael, der ÖBB Förster

21. 03. 2024

Pflegen, fällen, aufforsten, schützen: Michael achtet darauf, dass Baum und Bahn nebeneinander funktionieren.

Die alte Fichte fällt mit einem dumpfen Wums auf den Boden. Ein paar Monate zuvor stürzte beim Sturmtief Zoltan eine „Standnachbarin“ der stolzen Fichte auf das Gleis bei Großraming auf der Strecke Selzthal–St. Valentin. „Eigentlich gab es in diesem Abschnitt nie Sturmschäden, aber die Zeiten ändern sich. Der Wald ist im Stress durch Hitze, Stürme und Trockenheit“, erzählt Michael Wulz, während er die Forstarbeiten überwacht.

Der 29-Jährige arbeitet bei der ÖBB-Infrastruktur AG im Technikmanagement Fahrwegtechnik/Bautechnik und ist für Naturgefahren zuständig. „Wir müssen den Bahnbegleitwald so bewirtschaften, dass er keine Gefahr für die Infrastruktur darstellt. An windexponierten Stellen dürfen die Bäume nie so hoch werden, dass sie in die Leitung stürzen könnten“, so Michael.

Einfach alle Bäume neben Bahnanlagen wegzuschneiden wäre nicht nur aus ökologischer Sicht eine schlechte Idee, denn: Bäume verhindern Erosion und schützen dadurch die Gleise vor Muren und Lawinen. Wie so oft geht es also um das richtige Maß und einen geschulten Blick, der erkennt, wo Gefahren drohen.

Ein Exot mit viel Verantwortung

Michael ist für 800 Hektar ÖBB eigenen Wald zuständig, hinzu kommen alle bahnnahen Flächen diverser anderer Grundbesitzer in der Region Nord. Diese erstreckt sich von Schärding bzw. Aigen/Schlägl im Norden Oberösterreichs bis nach Spital am Phyrn bzw. Schönau an der Enns im Süden.

„In den ÖBB bin ich quasi eine Randerscheinung, denn außer mir gibt es in ganz Österreich sieben weitere Förster, die sich so wie ich um die Bewirtschaftung von Bahnbegleit- und Schutzwäldern sowie um Naturgefahren kümmern. Es kommt also immer wieder vor, dass ich sogar ÖBB Kolleg:innen erklären muss, was meine Aufgaben sind“, schmunzelt Michael.

„In den ÖBB bin ich quasi eine Randerscheinung."

Michael Wulz, ÖBB Förster

In Großraming macht der Harvester die Baumstämme verladebereit. Der Großteil des Baumbestandes gehört einem Bauern, ein kleinerer Teil den ÖBB.

Michael erfasst die Mengen und bespricht sich mit Karl Kerschbaumsteiner, der als Arbeitskoordinator Lehne für das Gebiet zuständig ist. Forstarbeiter Lukas Edtbauer ist auch dabei. Sobald das Holz abtransportiert ist, wird aufgeforstet – allerdings nicht so wie zuvor mit flachwurzelnden Fichten, sondern mit stockausschlagfähigen, standortgerechten Hölzern wie der Haselnuss oder der Buche. „Eschen können wir aufgrund des Eschentriebsterbens nicht mehr setzen“, bedauert Michael. Ein Pilz lässt den Baum von innen her verfaulen.

Der Wald ist für Michael nicht nur Arbeit – er verbringt auch seine Freizeit in jenen Wäldern, für die er beruflich zuständig ist. Durch sein Triathlon-Training ist Michael topfit, was in seinem Job unablässig ist. Es fällt ihm leicht, steile und unwegsame Hänge abzugehen. In felsigem Gelände muss er sich mitunter anseilen. Schwindelfrei und trittsicher sollte man also auch sein.

Besprechung unter Experten: Arbeitskoordinator Lehne Karl Kerschbaumsteiner, ÖBB Förster Michael Wulz und Forstarbeiter Lukas Edtbauer

Ortswechsel: „Wir sind jetzt hier im Schutzwald Falkenstein bei Hinterstoder. Die Bäume hier müssen nicht niederwaldartig bewirtschaftet werden“, erklärt Michael. Das hindert sie natürlich trotzdem nicht vor dem Umfallen, wie wir an einer Fichte sehen, die entwurzelt im Schutznetz hängt.

„Es handelt sich um einen vier Meter hohen Zaun mit Omeganetz“, erzählt Michael. Zäune wie dieser verhindern, dass loses Geröll und Gesteinsbrocken auf die Gleise fallen - oder sogar in dem Fall Bäume. Es ist ein besonderes Fleckchen, zählt es doch zu den Ökowaldinseln der ÖBB - sprich hier wird der Wald sich selbst und der Natur überlassen.

Umtriebig und gut verwurzelt

Michael schätzt die Abwechslung zwischen Bürotätigkeiten und seiner Arbeit draußen in der Natur. Als HTL-Absolvent kam er 2017 zu den ÖBB.

Im Moment studiert er berufsbegleitend Bauingenieurswesen und wird im Sommer die Staatsprüfung zum Förster ablegen. Michael schätzt die Abwechslung zwischen Bürotätigkeiten und seiner Arbeit draußen in der Natur. Als HTL-Absolvent kam er 2017 zu den ÖBB. Im Moment studiert er berufsbegleitend Bauingenieurswesen und wird im Sommer die Staatsprüfung zum Förster ablegen.

In seinem Linzer Büro liegen antiquarisch anmutende Karten und ein Buch zur Berechnung von Holzstärken. „Alt, aber gut“, meint Michael.

Natürlich gäbe es mittlerweile für alles Apps, aber Michael blickt immer wieder auch in das historische Material.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen – das kann Michael Wulz nicht passieren. „Als ehemaliger Jäger würde ich sagen: Ich habe jeden Baum in meinem Gebiet schon mal angesprochen, also gesehen.“ Sein Lieblingsbaum ist übrigens die Eiche: „Die haut so leicht nichts um.“ Das gilt wohl auch für Michael.

v.l.: Katharina Helm (Newsroom ÖBB Holding), Markus Riedl (News on Video), ÖBB Förster Michael Wulz und Nicole Tötschinger (Newsroom ÖBB Infrastruktur)