Gleisgeschichten: Michael, der Koralmbahntester

03. 07. 2025

Im Dezember 2025 ist es so weit: Die Koralmbahn geht in Betrieb und damit werden die beiden Landeshauptstädte Graz und Klagenfurt erstmals mit dem Zug in nur 45 Minuten miteinander verbunden sein. Einer, der das geschichtsträchtige Projekt seit langem begleitet, ist der Kratschmer Michi. „Ein externer Eisenbahner“, wie er sich selbst gerne nennt. Schließlich ist der Bauingenieur schon seit mehr als drei Jahrzehnten immer wieder für die ÖBB im Einsatz.

Auf Herz und Nieren testen

Der Countdown bis zum Koralmbahn-Opening läuft auf Hochtouren, und mit ihm treten auch all jene zum Endsprint auf, die mit den finalen Vorbereitungen befasst sind. Einer, bei dem viele Fäden zusammenlaufen, ist Michael Kratschmer. Sein Spezialgebiet? Das sind die Testfahrten – also jene Erprobungen einer Eisenbahnstrecke, die es braucht, bevor diese in den Echtbetrieb gehen oder nach einer Sanierung wieder befahren werden kann. Michi testet sozusagen alles auf Herz und Nieren, bevor eine Strecke im Anschluss behördlich geprüft und freigegeben werden kann.

Michael im Führerstand

 

Wer meint, mit ein oder zwei Testfahrten sei es getan, irrt. Bisher wurden 455 Probe-, Test- und Schulungsfahrten auf der rund 130 km langen neuen Koralmbahn durchgeführt. 600 sollen es bis zum Betriebsstart in sechs Monaten werden. Insgesamt werden dann rund 28.000 Kilometer Testfahrten absolviert worden sein – das ist so viel, wie vier Mal die Strecke Wien – Peking!

Schnell – schneller – am schnellsten

Railjet auf der neuen Koralmbahn

Heute ist die Railjetgarnitur samt Lok und vier Triebfahrzeugführern (zwei auf jeder Seite für raschen Richtungswechsel) unterwegs. Vier Mal “pendelt” der Railjet zwischen Graz und Klagenfurt hin und her. Das Ziel: zu messen, ob der – noch fiktive – Fahrplan mit/ohne Halt eingehalten werden kann. Wir starten mit 180km/h, erhöhen bei den nächsten Fahrten auf 200km/h und brausen zum Grande Finale mit der höchstzulässigen Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h durch den Tunnel. Geschafft! Die Freude ist bei allen Mitreisenden dieser Testfahrt an Bord spürbar.

Neben der Geschwindigkeit und der eindrucksvollen Länge der Neubaustrecke, lässt auch der Koralmtunnel selbst unseren Eisenbahn-Aficionado nicht unbeeindruckt: Mit 33km Länge rangiert er unter den Top 10 der Weltrangliste aller Eisenbahntunnel. Eine technische Besonderheit ist auch das ETCS-Sicherungssystem, das auf der Koralmbahn bereits vollständig „only“ eingesetzt wird – es ist quasi die „Goldklasse“ der Zugsicherung. Und neben den Superlativen sind es dann doch die zutiefst menschlichen Dinge, die Michael begeistern. Etwa die Aussicht auf den Moment „wenn die Messfahrten unfallfrei passieren und ich meinen Enkerln sagen kann ‚Der Opa war dabei’!“

Eisenbahn ist Teamsport

Michaels Job bei der Inbetriebnahme hat ganz viel mit Organisieren und dem Vernetzen von Menschen zu tun. “100 % Verlässlichkeit, das zeichnet Michael aus”, meint sein Kollege und ÖBB Counterpart Jürgen Egger. Fällt zu viel Scheinwerferlicht auf Michaels Leistung, lenkt dieser aber entschieden ein: „Tausende Menschen haben bei diesem einzigartigen Projekt mitgearbeitet. Meine Rolle ist es lediglich, viele Menschen zusammenzubringen. Jetzt geht das große Ganze in Betrieb, das ist ein cooles Gefühl.“

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt

Michael ist ein Routinier. Das merkt man spätestens dann, wenn man den gelernten Tiefbauingeneur nach seinen Plänen für die Zeit nach der Eröffnung der Koralmbahn fragt. „Da gibt es noch ein Projekt, das auf mich wartet: die Testfahrten am Semmering-Basistunnel.“ Auch bis dahin ist es nicht mehr lange hin – schon im Jahr 2030 wird dieses nächste Megaprojekt eröffnet und die neue Südstrecke damit komplettiert sein. Dann heißt es „Fahr‘ ma auf ein Eis oder ein kühles Blondes an den Wörthersee – aus Wien, versteht sich.” 😉 Und bei diesen Worten spürt man: Michaels Leidenschaft für die Bahn ist noch lange nicht am Endbahnhof.

Beim Dreh (v. l. n. r): Nina Walter-Broskwa, Michael Kratschmer, Jürgen Egger,

TfzF-Christoph Scheriau, Markus Riedl, Caroline Reinhard