Herr Alfred und die grenzenlose Liebe zur Eisenbahn
01. 09. 2020
Es gibt in Österreich viele leidenschaftliche Bahnbegeisterte, aber keinen wie Alfred Erhard. Seine Eisenbahnliebe ist wirklich im wörtlichen Sinne grenzenlos.
01. 09. 2020
Es gibt in Österreich viele leidenschaftliche Bahnbegeisterte, aber keinen wie Alfred Erhard. Seine Eisenbahnliebe ist wirklich im wörtlichen Sinne grenzenlos.
Der mittlerweile pensionierte Südbahnlokführer ist der Einzige, der von der Dampflok bis zur Taurus als Lokführer alle Lokomotivtypen der ÖBB gefahren ist. Aber weil ihm das berufliche Eisenbahn fahren längst nicht ausgereicht hat, ist er auch noch als erster und einziger Österreicher mit Zügen einmal rund um die Welt gefahren.
„Die Welt ist wirklich rund!“ lacht er und merkt an: „Ich weiß das, ich habe es erlebt.“
Zwei Monate war er auf großer Eisenbahn-Weltumrundungsfahrt. Ausgehend vom Südbahnhof mit der Transsibirischen Eisenbahn, durch China bis nach Japan, das gelobte Land aller Bahnfreunde. Dort fährt er mit dem Shinkansen, dem legendären Schnellzug und ist mit allen möglichen Regionalzügen unterwegs. Mit dem Flugzeug geht es über den Pazifik, leider fährt da keine Eisenbahn. Mit dem Amtrak durchquert er die Vereinigten Staaten über die Rocky Mountains, dann nochmals mit Flieger nach London und von dort ist es gar nicht so weit zurück nach Wien. „Weil ich am Westbahnhof angekommen bin, habe ich dann noch eine Verbindungsbahn zum Südbahnhof genommen, damit sich der Kreis schließt“, erinnert er sich.
„Ich wollte mir immer die Welt anschauen. Deshalb war mein erster Berufswunsch als Kind Lastwagenfahrer. Ich habe mir gedacht, dass ich so die Welt bereisen kann. Als ich dann Lokführer werden wollte, habe ich mir das auch gedacht, leider ein Irrtum. Als Lokführer kommst du nur in Österreich herum. So habe ich mir meinen Traum vom Reisen in meiner Freizeit erfüllt.
Für das Stillen seiner Reiselust kommt für Alfred Erhard als Eisenbahner prinzipiell immer nur die Eisenbahn infrage. Als er vor langer Zeit als ÖBB-Lehrling einen Gutschein für die Deutsche Bahn erhält, nimmt er einen Atlas und sieht nach, was das Weiteste ist, wo er hinfahren kann. Und nimmt den Zug nach Hamburg. „Ich wollte mir auch die Reeperbahn anschauen, weil ich gedacht habe, das ist eine Eisenbahn. Aber dann haben mir Leute gesagt, dass das nichts für mein Alter ist“ lacht er.
Das Fernweh ist ihm seither geblieben. Bagdad, Marokko, Pakistan oder Indien sind seine Reiseziele, immer mit dem Zug weg von Österreich. Schließlich fährt er bis ins Königreich Nepal und sieht den Mount Everest. Und dann die Weltumrundung.
Sehenswürdigkeiten sind für ihn aber nur zweitrangig. „Der Weg ist das Ziel. Ich habe auf meinen Reisen so viel erlebt allein nur im Zug. Das erlebt sonst keiner. Ich habe einmal einen Witz gehört, der geht so:
Sagt wer: Du, ich war auf den Malediven! Fragt der andere: Wo ist denn das? Antwort: keine Ahnung, ich bin hingeflogen.
Das kann mir nicht passieren! Ich weiß, wo ich war, ich habe mit das mit meinen Hintern abgesessen. Wenn man mit der Transsibirischen Eisenbahn fährt und am Morgen den Baikalsee sieht und man schaut am Abend raus, sieht man noch immer den Baikalsee. Da bekommt man erst eine Ahnung, wie groß der ist.“ philosophiert Herr Erhard.
Viele ÖBB-Kollegen haben diesen Enthusiasmus allerdings nicht verstanden.
„Die meisten Kollegen waren froh, dass sie im Urlaub keinen Zug gesehen haben. Ich bin halt anders. Es interessiert mich, wie in anderen Ländern die Eisenbahnen sind, wie die dort arbeiten. Die schönsten Erinnerungen waren daher auch auf den Führerständen. Ich habe immer ein Foto von mir mit dabei gehabt, wo ich auf meiner Lokomotive zu sehen bin. Damit habe ich versucht zu erklären, dass ich auch Eisenbahner bin, ohne die Sprache zu beherrschen. Oft hat mir das die Türe zum Führerstand geöffnet. Aber auch so ist Zug fahren das Schönste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einem zuwider wird.“ findet er.
Glücklicherweise konnte Herr Erhard dieser Leidenschaft auch beruflich nachgehen. Auf der Südbahn war er jahrzehntelang unterwegs. Am Anfang seiner Karriere durfte er 2 Jahre lang Dampflokomotiven fahren, da diese doch länger im Dienst blieben als gedacht. Und am Ende seines Berufslebens Bekanntschaft mit dem heißesten Eisen machen, das die ÖBB hatte, die Tauruslok.
„Als es zu Pensionierung ging, tauchte die Taurus auf. Das brannte mir unter den Fingernägeln, mit der wollte ich unbedingt noch fahren. Aber die dreitägige Ausbildung wollte mir die Bahn nicht ermöglichen, da es sich nicht ausgezahlt hätte. Ich wollte die Prüfung in meiner Freizeit machen, aber da legte sich die Gewerkschaft quer. Da dachte ich, das war es. Aber dann konnte ich mir diesen Traum doch noch erfüllen, da ich mich zwei Jahre länger verpflichtete und später in Pension ging, damit es sich für die Bahn auszahlt. Für mich hat es sich jedenfalls ausgezahlt, ich habe es nie bereut.“
Übrigens: Ihr kennt jemanden, der eine tolle “Gleisgeschichte” zu erzählen hat? Dann meldet euch per Mail an social-media@oebb.at
(Fotos: ÖBB / Daniel Willinger, Alfred Erhard)