Women in Rail

Mehr Gleichstellung im Eisenbahnsektor

15. 11. 2021

Warum die #WomanInRail Vereinbarung historisch ist berichtet ÖBB Kollegin Claudia Kürzl

Ein Bild – viel Emotion: Als die #WomanInRail Vereinbarung nach drei Jahren auf den Weg gebracht wurde, freute sich ÖBB Verhandlungsvertreterin und HR Expertin Claudia Kürzl sichtlich. Sie berichtet uns hautnah, welche Bedeutung diese Vereinbarung auf europäischer Ebene für die Gleichstellung der Geschlechter im Eisenbahnsektor hat. Hier im Interview gibt sie auch Insights zu ihrem Aufgabengebiet im strategischen HR Management.

Claudia, du bist im Feld der strategischen HR beheimatet, hier vor allem im internationalen Kontext in Sachen Labour Relations. Kannst du uns mehr aus deinem beruflichen Alltag erzählen?

Meine Aufgaben sind wirklich vielfältig. Im Grunde vertrete ich die Konzerninteressen und betreibe aktives Lobbying für unsere Positionen bei europäischen Institutionen, Interessensvertretungen und Verbänden zum Themenfeld Human Resources. Ich bin auch die Brücke zu den relevanten Stakeholdern (sprich anderen Bahnen) auf europäischer und internationaler Ebene, wenn es sich um Anliegen im Personalbereich handelt.
Aber auch die Entwicklung von Konzernstellungnahmen sowie Strategie- und Positionspapieren gehört zu meinem Job. Auch wichtig: Immer up to date bleiben und die aktuellen europäischen Entwicklungen zu monitoren. Bei all diesen Themen verschränke ich auch HR Anliegen mit den Anliegen und den Interessen des Betriebsrats bzw. Gewerkschaften im sektoralen Sozialen Dialog.

Women in Rail

© CER / Julie de Bellaing

Was genau ist das Besondere am nun unterzeichneten Vertrag zur Förderung von Frauen im Eisenbahnsektor?

Da ist uns wirklich ein großer Wurf in Sachen Gleichstellung. Gemeinsam ist auf europäischer Ebene gelungen, ein bindendes Abkommen zu einem hoch relevanten Thema zu schaffen. Das bedeutet: 80 Eisenbahn- und Infrastrukturunternehmen und die europäischen Gewerkschaften haben sich mit Einstimmigkeitsprinzip verständigt. Dies ist das erste Abkommen nach 15 Jahren, das hat schon eine Dimension!
Die Vereinbarung greift aktuelle Herausforderungen (Diversity, Digitalisierung,…) auf. Sie ist ein starkes Signal für die Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern. Der Bahnsektor nimmt hier eine Vorreiterrolle ein – somit ist das Abkommen ein Leuchtturmprojekt und gibt Impulse für andere Branchen.
Nun, da die Vereinbarung getroffen wurde, müssen alle unter die Vereinbarung fallenden Unternehmen sie umsetzen. Die wichtigste Bestimmung ist die Festlegung und Umsetzung einer Politik der Gleichstellung und Vielfalt. Die Unternehmen sollten diese Politik innerhalb der ersten 12 Monate nach der Unterzeichnung festlegen. Des Weiteren haben wir uns zu einem europaweiten Women in Rail Report (WiR) verständigt. Das ist einzigartig. Die Maßnahmen werden überwacht und jährlich Daten für einen europäischen Bericht ausgetauscht, dieser soll alle zwei Jahre erstellt werden. Der WiR Report berücksichtigt sowohl qualitative wie auch quantitative Aspekte.

Und deine genaue Rolle bei den Verhandlungen?

Die 80 Eisenbahn- und Infrastrukturunternehmen haben 9 Vertreter:innen nominiert, die in der Verhandlungsdelegation Platz nehmen durften. Unter anderem waren hier DB, SNCF, FSI, PKP… und ich für die ÖBB vertreten. Des Weiteren war ich Sprecherin der Drafting Group für die Arbeitgeber:innenseite. Die sieben Damen (4 Arbeitgeber:innen + 3 Arbeitnehmer:innen) der Drafting Group hatte die Aufgabe die Verhandlungen vor und nachzubereiten. Und am Ende musste das Ergebnis gemeinsam in eine Textversion gegossen werden.

Wir haben gehört, dass bis zur Unterzeichnung über drei Jahre vergangen sind. Eine lange Zeitspanne?

Ein europäisches Abkommen mit so vielen Beteiligten benötigt viele Abstimmungsschleifen, Vorbereitung und Kommunikation. Und dann kam die Pandemie, wodurch uns über Monate physische Treffen nicht möglich waren. Angesicht der Situation haben wir Anfang 2021 gemeinsam beschlossen, die Verhandlungen virtuell fortzuführen. Eine große Herausforderung, unter solchen Bedingungen wurde noch nie verhandelt. Aber wir haben uns ein gemeinsames Ziel gesetzt und es auch geschafft.

Was wird sich durch die Unterzeichnung konkret im Arbeitsalltag von Frauen bei der Bahn verändern?

Mit diesem Abkommen ist uns ein weiterer wichtiger Schritt auf dieser Reise gelungen. Durch das hohe Engagement und Kommittent des Managements – vor allem sichtbar in der HR Strategie 2025 – bin ich mir sicher, dass der Frauenanteil im Konzern zunehmen wird. Die bereits umfangreichen Maßnahmen ausgebaut und verfeinert werden. Alles zum Thema „Vielfältige ÖBB“ gibt es hier: Vielfältige ÖBB - ÖBB-Konzern (oebb.at).

Gibt es etwas, was du unseren Leser:innen noch persönlich mitgeben möchtest?

Ich freu mich persönlich sehr, dass dieses Abkommen zustanden gekommen ist. Ich finde es wirklich großartig für ein Unternehmen zu arbeiten, dass hier in Vorlage geht und somit eine Vorreiterrolle einnimmt.

Claudia im Wordrap:


Ich bin Eisenbahner:in seit: Mai 2014
Am meisten liebe ich an meinem Beruf: Die Vielfältigkeit der Themen, es gibt immer wieder Neues in der Bahnwelt zu entdecken und zu lernen.
An meinem Beruf mag ich am wenigsten: Viel „Geschwurble“, ich mag es konkret. Diplomatie ist wichtig, aber oft darf es auch ein klarer Satz / Aussage sein.
Die ÖBB bedeuten für mich:  Länder und Menschen zu verbinden.
So fängt mein Tag gut an: Meditation und Sojalatte
In 10 Jahren möchte ich: Über Förderungen und Gleichstellung von Frauen nicht mehr sprechen müssen – es ist einfach. Es wird gemeinsam gelebt.
Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich: Adler
Diese Superkraft hätte ich gerne: beamen
In dieser Zeit hätte ich gerne gelebt: JETZT – es gibt genug zu tun J