Altes Eisen rostet nicht
30. 04. 2025
Mit 95 Jahren erinnert sich Franz Kogler an seine Karriere als Lokführer bei den ÖBB – ein Kindheitstraum, um den er gleichermaßen mit Leidenschaft und Beharrlichkeit kämpfte.
30. 04. 2025
Mit 95 Jahren erinnert sich Franz Kogler an seine Karriere als Lokführer bei den ÖBB – ein Kindheitstraum, um den er gleichermaßen mit Leidenschaft und Beharrlichkeit kämpfte.
War es Beruf oder vielmehr Berufung? „Mich hätte niemand davon abgebracht“, erzählt Franz Kogler. „Mich hat es zu dem gemacht, was ich bin.“ Als Jahrgang 1929 wurde er mit seinen vier Geschwistern in eine Eisenbahnerfamilie und eine Zeit voller Umbrüche hineingeboren – für Träume zeigte man wenig Verständnis. Wenn es nach seinem Schuldirektor gegangen wäre, hätte Franz besser Lehrer werden sollen. Bei 60 Kindern pro Klasse und dem Einsatz des berüchtigten „Rohrstaberls“ entwickelte der allerdings bald ein eigenes Verhältnis zur Obrigkeit. Seinem Ziel konnte sich niemand in den Weg stellen, und dieses Ziel hieß: Lokführer werden. Bereits mit 13 Jahren durfte er seinen Vater, den damaligen Heizer, unterstützen. Und wenn sich der heute 95-Jährige an sein erstes Mal am Führerstand erinnert, strahlt sein Gesicht. „Feuer und Dampf, Mensch und Maschine, Kohle und Kessel, die Vibrationen, der Geruch – da herrschte pures Leben in der Lok. Meine Leidenschaft war entfacht.“
Doch Leidenschaft allein reicht selten aus – auch sein Durchhaltevermögen brachte Franz ans Ziel. Noch in der Schulzeit büffelte er zu Hause in selbst gekauften Weiterbildungsbüchern, durchlief acht Jahre lang verschiedene Stationen von der Lokmontage bis zum Heizhaus, suchte immer wieder bei seinen Vorgesetzten an – und wurde abgewiesen. „Irgendwann habe ich zum Abteilungsleiter gesagt, dass er mich noch so oft versetzen kann: Ich werde nicht aufgeben. Was hätte ich noch lernen sollen? Ich hatte doch alles bereits im Blut.“ Und schließlich kam er, der Tag der Tage. 1953 bestand er die staatliche Prüfung zum Lokführer und blieb es viele abwechslungsreiche Jahre lang.
Mit Enkelin Fiona schmökert Franz gerne in seinen Fotoalben. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild sieht man ihn in einer Dampflok aus der 657er-Baureihe.
Franz Kogler als Maschinenmeister im Springerdienst bei der Zugförderung St. Pölten zwischen 1960 und 1964.
Was folgte, waren neben beglückenden Erlebnissen (seine liebsten Strecken führten nach Kernhof und Kienberg) auch Entbehrungen – die Idee einer „Work-Life-Balance“ lag in weiter Ferne. Doch trotz 24-Stunden-Schichten, wochenlangen Einsätzen, Reparatur arbeiten in bitterer Kälte – für Franz war es stets wichtig, dass die Menschlichkeit nie ausgebremst wird. Er wartete in einsamen Nächten auf Zuspätkommende, setzte sich mutig für seine liebsten ÖBB Kolleg:innen ein und kämpfte dafür, dass er bei der Geburt seiner Tochter zu Hause bleiben durfte.
Wieder ganz vorne mit dabei: Zum 85. Geburtstag ging es mit der Familie in der Taurus-Lok nach Salzburg.
Ob Dampf, Diesel oder E – seinen sprichwörtlichen Zug zum Tor hat er keinen Tag bereut, auf keiner der drei Traktionsarten. Lachend erinnert er sich an die klobige 1040er, die erste elektrifizierte Nachkriegslok Österreichs, und schwärmt von der Kraft der 93er, der letzten normalspurigen Dampflokreihe im Bestand der ÖBB. Noch heute unternimmt er Spritztouren mit dem Zug – davon halten ihn die Krücken nicht ab –, und zum 85. Geburtstag ging es sogar mit der Familie im Führerstand zur Hohen Wand und nach Salzburg. „Als ich 1964 Maschinenmeister wurde, habe ich sie vermisst, die Arbeit mit der Lok. Ich vermisse sie immer noch.“ Sein Rat an den Nachwuchs, der uns in Zukunft auf Scheine bringen soll? „Wenn ihr die Freude an diesem Beruf spürt, gibt es nichts Schöneres.“ Kurze Pause und ein verschmitztes Lächeln: „Dann kann euch auch nichts mehr stoppen.“
Ewige Erinnerungen: Die Mütze stammt aus den 1950ern. Im Dienst trug Franz lieber Leichteres, wie ein von seiner Frau angefertigtes Käppi.
Text: Janina Lebisczczak
Fotos: Philipp Carl Riedl