Die Eisenbahn mit einer Pferdestärke

10. 04. 2020

Eine aktuelle Tauruslok hat knappe 10000 PS. Am Anfang der Eisenbahngeschichte, vor 180 Jahren, war es nur eine einzige Pferdestärke, diese allerdings aus Fleisch und Blut.

Bevor es Elektro, Diesel oder Dampflokomotiven gab, war die Pferdeeisenbahn unterwegs, hierzulande auf der Strecke Budweis-Linz-Gmunden.

Die ersten Personenzüge sahen noch aus wie Kutschen und hatten einen Noriker vorgespannt, aber sie fuhren schon auf mit Eisen beschlagenen Holzschienen und revolutionierten die Art zu Reisen nachhaltig.

Diesen Anfangstagen der Eisenbahn nachspüren kann man heute noch im Mühlviertel, genauer gesagt in Kerschbaum in der Gemeinde Rainbach.

Der Verein Freunde der Pferdeeisenbahn betreibt hier, in den ehemaligen Gewölbestallungen eines historischen Pferdebahnhofes, das Pferdeeisenbahn-Museum. Mit großer Leidenschaft wird hier Geschichte erlebbar gemacht. Oder besser gesagt, erfahrbar, denn das Highlight des Museumsbesuches ist eine Fahrt mit einem rekonstruierten historischen Wagen. Und so kommt es, dass die Pferdeeisenbahn, nach einem jahrhundertelang dauernden Dornröschenschlaf, wieder vom Stationsplatz abfährt und die Besucher mit auf einen Trip in die glanzvolle Vergangenheit der Strecke nimmt.

Sanft kutschiert zu einem Ausflug in die Vergangenheit

Die Zeitreise geht zurück ins Biedermeier.

In dieser gar nicht so biederen Epoche war der Walzer ein nagelneuer Modetanz, Schubert Popmusik und der Mann von Welt trug Gehrock mit Zylinder. Bei den Damen war Reifrock und Korsett angesagt, dazu eine Schute, ein haubenähnlicher Hut, den die meisten von uns aus Wildwestfilmen kennen.

Reisen mit der Postkutsche waren beschwerlich. Für längere Stecken benötigte man mehrere Tage und das war auf den holperigen Straßen alles andere als bequem.  Eine bahnbrechende Erfindung sollte das schlagartig ändern, man stellte die Kutsche auf Schienen.

All das erlebt der Besucher von heute in Kerschbaum mit allen Sinnen. Denn nicht nur die Fahrt, mit dem originalgetreu rekonstruierten Luxuswagen Hannibal, läßt vergangene Zeiten wieder auferstehen, auch die Damen und Herren der Pferdeeisenbahn sind in historische Kostüme gewandet, die man vor 0rt auch selbst anprobieren kann. Der Wagenbegleiter heißt hier noch Kondukteur, hat einen blauen Gehrock an und einen breiten filzernen Diensthut,Tschako genannt. Alois ist so ein Kondukteur und weiß viel über diese Zeit zu erzählen. „Es war für die damalige Zeit kaum zu glauben. Man ist in einem Tag von Linz nach Budweis gekommen. Die Postkutsche war drei, vier Tage unterwegs.“

Und Petra, die als Biedermeierdame die Museumsführungen macht, ergänzt: „Durchschnittlich wurden pro Jahr 150.000 Reisende befördert. Kein Wunder, es ist halt ein gemütliches Reisen gewesen.“

Heute sind deutlich weniger Fahrgäste unterwegs und auch die Strecke ist nur mehr einen halben Kilometer lang.

Wenn der Kutscher aber den Wagen in Bewegung setzt fühlt sich der Mitreisende von heute in eine andere Zeit versetzt.

Jedes Detail ist perfekt nachgebildet. So perfekt das man fast vergessen könnte, dass man sich in der Gegenwart befindet, würde nicht mancher sein Handy zücken, um das Erlebte per Kamera festzuhalten.

Einst die längste Eisenbahnstrecke der Welt

Dabei hatte man bei der Errichtung der Bahn, am Beginn des 19. Jahrhunderts, gar nicht vorrangig Passagiere im Sinn. Eine Pferdeeisenbahn von Budweis über Linz nach Gmunden zu errichten sollte hauptsächlich den Salztransport, vom Salzkammergut in die böhmischen Ländereien des damaligen Kaiserreichs, vereinfachen.

Baubeginn war 1825. 1832 reichte die Strecke bis Linz und ab 1836 konnte das Salz durchgehend auf Schiene, vom Salzkammergut bis Budweis, transportiert werden.

Mit 197 km war sie damals die längste Eisenbahnstrecke der Welt.

Nicht Eisenschienen bildeten die Elemente für die Räder, sondern Holzschienen, auf denen Flacheisen mit handgeschmiedeten Nägeln befestigt waren.

Die erste Eisenbahn war also eine Holzeisenbahn. Mit dem Gütertransport begann auch der Personentransport, der rasch zum Kassenschlager wurde.

Schon vierzig Jahre nach der Eröffnung gehörte der Pferdeantrieb wieder zum alten Eisen. Mit der Dampflok kam ein neue Trasse, weil die Holzschienen den schweren „Dampfrössern“ nicht standhielten und brachen. 1872 war das Ende der Pferdeeisenbahn da. Die ganze aufwändig errichtete Infrastruktur, wie Bahnhöfe und Brücken, wurde nicht mehr gebraucht. Dann passierte lange nichts. Und wären in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht die richtigen Leute zusammengekommen und hätten sich diese nicht an die historische Bedeutung, der Bahn in der Region, erinnert und sich für den Erhalt der letzten Überbleibsel eingesetzt, dann wüsste man heute von der Pferdeeisenbahn nur noch aus den Geschichtsbüchern. Und das wäre schade.

Man gleitet dahin wie im Himmel

Ein zufriedener Gast notierte 1833 “Wie angenehm lässt es sich doch mit einer Schienenbahn reisen! Kein Rumpeln, kein Stoßen – man gleitet dahin wie im Himmel!”

Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen. Geschichte wird in Kerschbaum lebendig und zu einem Erlebnis, das mit viel Herzblut und Engagement vom Verein in Szene gesetzt wird und das der Besucher nicht so schnell vergisst, oder wie es Kondukteur Alois sagt:“ Es ist eine Geschichte dahinter und die muss man erhalten.“

Die Pferdeeisenbahnsaison beginnt wieder ab 1. Mai und dann immer Sonntags.

Mehr Infos gibt es auf der Homepage unter www.pferdeeisenbahn.at.

Übrigens: Ihr kennt jemanden, der eine tolle “Gleisgeschichte” zu erzählen hat? Es muss auch nicht immer eine Geschichte auf Schienen sein. Dann meldet euch per Mail an social-media@oebb.at